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Max Diel Im Interview – Eine Ode an Die Melancholie

Kaum einer meistert die Übersetzung von Fotografie zur Malerei so galant wie Max Diel.

Dabei liegt seinen Werken häufig ein Hauch Melancholie zugrunde. Was Melancholie für ihn bedeutet und warum er sich keinem spezifischen Stil zuordnen lässt und lassen will, erfährst du im Interview.

Du übersetzt häufig Fotografien in Malerei. Welche Charakteristika muss eine Fotografie aufweisen, damit du sie malst?

Ganz generell kann ich nicht sagen, dass eine Fotografie für mich ein bestimmtes Charakteristikum aufweisen muss. Es ist vielmehr so, dass mir bestimmte Situationen im realen Leben begegnen, die ich dann mit der Kamera festhalte. So gesehen ist die Kamera wie ein Skizzenbuch. Häufig sind die Motive, die ich vorfinde irgendwie rätselhaft. Manchmal aber auch sehr banal.

Durch die Digitalisierung hat sich der kreative Prozess entscheidend verändert. Als ich noch jünger war und analog fotografieren musste, holte ich manchmal eine ganze Filmrolle ohne brauchbare Aufnahmen vom Fotolabor! Heute kann ich viel schneller und direkter das Motiv auf seine Brauchbarkeit hin analysieren.

Was die oben beschriebenen Situationen betrifft, so würde ich ganz klassisch von "Inspiration" reden. Wörtlich übersetzt bedeutet das "Beseelung", "Einhauchung". Im weiteren Sinne auch: "Atem, Seele, Geist". Das beschreibt eigentlich ganz gut, wann ein Bild bzw. eine Arbeit für mich gelungen ist. Ich arbeite so lange an einem Bild, bis es diese Ingredienzen von Geist und/oder Seele besitzt.

Diese "Ingredienzen" sind von Anbeginn der Inspiration da. Allerdings geht es – und das ist sehr wichtig – nicht darum, dass man ein Foto einfach abmalt. 

Es begegnen einem im Ausstellungskontext viele Bilder, die einfach nur ab- und nachgemalte Fotos sind, wo aber kein kreativ-transformatorischer Prozess stattgefunden hat. 

Ich will nicht ausschließen, dass auch hier Kunst stattfinden kann, denkt man z.B. an den Fotorealismus. Da gibt es durchaus gute Vertreter. Doch ist das nicht mein Weg. 

Picasso hat einmal gesagt: „Wenn man genau weiß, was man machen will, wozu soll man es dann überhaupt noch machen? Da man es ja bereits weiß, ist es ganz ohne Interesse. Besser ist es dann, etwas anderes zu machen". Dem schließe ich mich an.

Deine Werke wirken häufig introvertiert und ein wenig melancholisch. Warum?   

Es gibt keinen wirklichen Grund für die melancholische Wirkung meiner Bilder. Generell kann ich sagen, dass mich die Grundstimmung der Melancholie sehr anspricht. Wenn ich z.B. durch die CD-Sammlung gehe, die ich während meiner Arbeit im Atelier höre, dann finde ich da CDs von a-ha, Anne Clark, Jacques Brel, Chopin, Nina Simone etc. 

Ich mag ganz unterschiedliche Stile, in der bildenden Kunst, wie in der Musik. Das Melancholische fasziniert mich – gerade in der Musik.

Ich kann es am ehesten als eine Art des "Nach-Hause-Kommens" beschreiben. Es ist ein Gefühl, das schon immer da war. Wenn ich Fotos aus meiner Kindheit sehe, dann sehe ich wenig freudiges Strahlen, wie man es häufig auf Kinderfotos sieht. Ich hing als Kind schon immer irgendwo mit einem Buch in einer Ecke und war geistig in einer anderen Welt. Vielleicht kann man "die andere Welt" als Aufhänger nehmen. Diese hat mich immer schon mehr interessiert, als die Welt, in der wir leben.

Es gibt auch eine gewisse Verbindung von der Melancholie hin zum Surrealismus. So ist die Melancholie auch als "Lust des Träumens" bezeichnet worden (Ausstellungskatalog "Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst", Paris, Berlin 2006).

Rilke schreibt in den Duineser Elegien: "Das Schöne ist nur des Schrecklichen Anfang, den wir gerade noch ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören“. Geht es da nicht auch um Melancholie? Direkt darauf schreibt er: "Ein jeder Engel ist schrecklich". Ein seltsamer Satz. Ich muss bei diesem Satz immer an Romy Schneider oder Marylin Monroe denken. Bei Romy ist die Melancholie ja ganz offensichtlich (und folglich bin ich Fan), bei Marylin ist das viel versteckter, da sie ja die quietschig-fröhliche Sex-Blondine dargestellt hat. Mittlerweile weiß jedoch die ganze Welt, dass es in ihr anders aussah und ich finde, wenn man genau hinschaut, dann merkt man es ihr auch an. Gerade dieser Kontrast verstärkt die Melancholie.

Das Introvertierte hat stark damit zu tun, dass ich meine Bilder auch als eine Art "Reise ins Innere" bezeichne.  Das Foto im Außen ist nur der Ausgangspunkt, um in mich hineinzuhorchen und eigene Stimmungen wahrzunehmen. So, wie bei Marlene Dumas oder Maria Lassnig. Aber auch Edward Munch läßt sich hier anführen. 

Deine Kunst lässt sich keinem wirklichen Stil zuordnen. Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Stil kann nie ein Ziel oder eine Absicht in sich sein! Er ist immer die Folge einer künstlerischer Intention. Alles andere verfängt. Soweit ich weiß, haben sich die wenigsten Künstler mit den Stilen, die man ihnen zugeschrieben hat, wohl gefühlt. In manchen Fällen, wie z.B. bei den Impressionisten, war der Begriff ja sogar abwertend gemeint.


Ich kann aber natürlich auch hier brauchbare Aussagen machen. Generell fasziniert mich Kunst, die sich im Zwischenbereich von Figuration und Abstraktion abspielt. Das fängt in der Frührenaissance – gerade der nordeuropäischen Renaissance – an. All diese teilperspektivischen Ansichten, die den Blick immer wieder brechen und mehrere Dimensionen gleichzeitig aufmachen. Ob das mit perspektivischem Vermögen oder Unvermögen zu tun hat ist mir vollkommen egal.

Man spürt die Begeisterung für die Malerei in dieser Epoche, die alles gleichzeitig will. Mal geht es um Glauben, Spiritualität, die Psyche und das Groteske, dann vielleicht einfach um die Darstellung von menschlicher Haut und dann wieder um Farbe, Licht und Raum. Es steckt so viel Forschergeist darin. Man kann den Künstlern direkt in den Pinsel, auf die Hand und ins Gehirn gucken. Spätere Jahrhunderte haben natürlich auch tolle Maler hervorgebracht, aber sie fußen doch sehr auf einer durchdachten und versierten Technik. Das macht sie für mich kalkulierbar und dadurch ein Stück weit langweilig. 

Welches Feedback bekommst du von Betrachtern auf deine Bilder?

Ich habe regelrechte "Fans", die sofort auf die Logik meiner Bilder einsteigen können und gar nicht viel Erklärung brauchen und dann wieder gibt es Leute, denen man ständig erklären muss, was wie und weshalb zu sehen und zu verstehen ist. Da fühle ich mich dann auch recht hilflos. Denn letztlich geht es darum, dass jemand sich selbst in meinen Bildern wiederfindet. Ich kann diesen Prozess nur anstoßen. Der Betrachter muss den Rest des Weges selber gehen. Theoretische Konzepte helfen dabei wenig. Man muss sich ganz auf sein eigenes Leben, die eigenen Gefühle und Erfahrungen verlassen. 

Wenn das klappt, dann treffen der Betrachter und ich uns im Unendlichen. Das klingt jetzt sehr esoterisch, ist aber tatsächlich so gemeint. 

Ich suche in meinem Innersten einen Punkt, an dem ich sozusagen "brenne" oder wo sich etwas abspielt, das sich auf den Betrachter überträgt und bei ihm Assoziationen und Erfahrungen wachruft, die ihn/sie ins eigene Innere führen. 

Wie gesagt: Oft klappt das, oft leider nicht.Um es mit dem indischen Maler Bhupen Khakhar zu sagen: "You can´t please all".